Kati in Amerika Italien Paris by Lindgren Astrid

Kati in Amerika Italien Paris by Lindgren Astrid

Autor:Lindgren, Astrid [Lindgren, Astrid]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


Kapitel 14

»Es gibt nicht größ’re Qual, als ewig entschwundenem Liebesfrühling nachzusinnen. Da hörst du es, Eva«, sagte ich. »Dante hat es gewußt!«

Wir saßen im Zuge nach Florenz, und ich hatte meinen kleinen handlichen Band der ›Göttlichen Komödie‹ hervorgeholt, den ich als geeignete Reiselektüre für Dantes Stadt aus Stockholm mitgenommen hatte. In wenigen Augenblicken würden wir dort sein. Venedig hatten wir hinter uns gelassen, und meinen »ewig entschwundenen Liebesfrühling« dort würde ich zu vergessen suchen. Wenn es ginge. Aber Eva sollte begreifen, daß es nicht so leicht war. Es war tröstlich und schön, von Dante unterstützt zu werden.

Spät am Abend kamen wir an. Alle waren müde und wollten sich hinlegen. Alle außer Eva und mir. Das Leben ist so kurz und Eva sagte:

»Wenn ich heute nacht sterbe und Florenz nicht gesehen habe, so wird es mich unsagbar ärgern.«

Deshalb begaben wir uns auf einen nächtlichen Spaziergang, während das Ehepaar Gustafsson, Frau Berg und Herr Malmin und die andern in tierischem Schlaf lagen. Wir erwähnten nichts von unsern Plänen, denn dann hätte die Gefahr bestanden, daß Herr Malmin sich uns angeschlossen hätte. In der letzten Zeit bezeigte er eine beunruhigende Neigung, immer in Evas Nähe aufzutauchen.

Und wir wollten Florenz für uns allein haben. Wir wollten es nur mit entgleitenden Schatten teilen, mit den Schatten Dantes, Savonarolas, Michelangelos, Lorenzo di Medicis. Ihre Stimmen raunten im Nachtwind, der über die toskanischen Berge und das schlafende Arnotal strich. Er rauschte so traurig, wehmutsvolle Worte von Blut, Schweiß und Tränen... Wir wollten ihn für uns selbst haben, ihn nicht mit Herrn Malmin teilen.

Piazza della Signoria, dort mußte man die Schatten suchen. Wir standen da mitten in der Nacht, genau an der Stelle, wo Savonarola auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde. Wir blickten zu der dunklen Fassade des Palazzo Vecchio hinauf und zitterten vor Spannung, wenn wir an all die berühmten Menschen dachten, die vor uns über diesen Platz gegangen waren und jetzt in ihren Gräbern schliefen. Wir zitterten noch mehr, wenn wir an all das Blut dachten, das hier geflossen war, und an all die dunklen Lebensschicksale, die im Schatten des Palazzo Vecchio ihr Ende gefunden hatten.

»Hier haben Guelfen und Ghibellinen gekämpft, daß das Blut spritzte«, erinnerte ich Eva. »Vielleicht hat der Ghibelline Dante einstmals hier an dieser Stelle gestanden, wo ich jetzt stehe, und hat nach einem passenden Guelfen Ausschau gehalten, den er totschlagen könnte.«

»Hu, wie du redest!« sagte Eva schaudernd.



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